Wo wollen wir entbinden?
Mit dieser Frage sollten sich die Eltern möglichst schnell nach Bekanntwerden der Schwangerschaft auseinander setzen.
Sollten Sie sich nämlich für die Entbindung zu Hause entscheiden, müssen Sie sich schnell um eine Hebamme
kümmern. Nicht alle Hebammen sind dazu bereit und der voraussichtliche Geburtstermin muss auch noch in ihren
Terminplan passen.
Sie können jedoch genauso gut im Geburtshaus oder im Krankenhaus entbinden.
Wo ist es besser zu entbinden?
Sie sollten als erstes als Eltern gemeinsam über diesen Punkt sprechen. Sind Mama und Papa einer Meinung?
Ist einer der beiden radikal gegen eine der Möglichkeiten?
Eines sollte Ihnen bewusst sein: wenn sich auch nur einer von beiden am gewählten Geburtsort unwohl
fühlt, wird das den anderen belasten. Ist Papa unsicher, weil ihm die ärztliche Unterstützung im Geburtshaus
fehlt, wird sich das auch auf Mama und damit auf die Entbindung auswirken. Wenn tatsächlich dann die Geburt
nicht optimal verläuft, ist Papa derjenige, der es von Anfang an gewusst hat und Mama diejenige,
die "Schuld" hat. Auch über solche Auswirkungen sollten Sie sich bewusst werden und Sie sollten darüber reden.
Ein sehr großer Vorteil der Hausgeburt bzw. der Entbindung im Geburtshaus sollte sein, dass Sie
die Hebamme kennen und mögen. Ein gutes Verhältnis ist absolute Voraussetzung. Im Zweifelsfall
schauen Sie sich lieber nach einer Kollegin um, mit der Sie vielleicht besser klar kommen.
Die Hebamme, die Sie gewählt haben, wird Ihnen mit sehr großer Wahrscheinlichkeit beistehen, wenn
Sie das Baby entbinden. Im Krankenhaus dagegen arbeiten ganz viele Hebammen nach
einem Schichtplan. Wenn Sie Pech haben (so ging es mir), kommen Sie mit der Hebamme, die Sie
im Krankenhaus entgegennimmt, gut aus, mitten in der Geburt findet ein Schichtwechsel statt
und zur übernehmenden Kollegin finden Sie keinen Draht.
Leider geht in den meisten Fällen dieser Vorteil verloren, sobald sie unplanmäßig doch in
die Klinik verlegt werden müssen.
Ein weiterer Vorteil der außerklinischen Entbindung (Hausgeburt oder Geburt im Geburtshaus) ist, dass Sie vor der Geburt genau besprechen können, was Sie gern hätten oder gar nicht wollen. Die Hebamme wird Ihnen genau erklären, welche Mittel ihr zur Verfügung stehen, um zum Beispiel den Schmerz erträglich zu machen oder einen Dammriss zu verhindern. Sie können Ihrerseits mitteilen, was Ihnen bei welchen Schmerzen gut hilft und was Sie sich wünschen, um schnell und schmerzfrei zu entbinden.
Ein weiterer Vorteil ist, dass Sie sich bei einer Hausgeburt in Ihrer gewohnten Umgebung
befinden. Sie müssen nicht im Vorfeld entscheiden, welche Musik sie gern hören oder welchen
Duft sie gern hätten. Alle Kuscheltiere, Heiz-, Kirschkern- oder sonstige Kissen sind wie
gewohnt da und verfügbar. Wenn Sie wollen können Kinder, Haustiere und alle Freunde dabei sein
und Ihnen beim Entbinden zuschauen.
Sie müssen nach der Entbindung nicht die Umgebung verlassen, sondern bleiben, wo Sie sich
wohlfühlen. Sie sind wieder ganz Herr der Situation, ohne dass Ihnen irgendwer sagt, wann
und wie zu stillen ist oder wie man richtig Windeln wechselt.
Dieser Vorteil ist meines Erachtens allerdings zugleich ein Nachteil. Ich habe in der Klinik
entbunden und fand es in den ersten Tagen nach der Geburt sehr angenehm, dass ich mich um
Sachen wie Kochen, Saubermachen, Wäsche waschen und Hund ausführen gar nicht kümmern konnte.
Es hätte wohl auch nach einer Hausgeburt keiner von mir erwartet, aber ich hätte mich schon
mit dem Gedanken herumgeplagt, was ich glaube tun zu müssen. Und ein paar Sachen hätte ich
schon tun müssen: ich hätte wenigstens für mich etwas zu essen machen müssen, es mir selber
holen und wieder wegbringen. Im Krankenhaus gab es dafür nette Schwestern. Wenn ich wollte,
konnte ich einfach im Bett liegen bleiben. Das Essen kam wie von Geisterhand angeflogen und
wurde wieder weggebracht.
Wenn Sie zu den Menschen gehören, die immer glauben alles tun zu können und es darum auch
lieber selber machen, als andere darum zu bitten, dann machen Sie sich bewusst, dass eine
solche Zwangspause nicht die schlechteste ist. Sie haben viel mehr Zeit für sich und das Baby.
Das wird der Beziehung zwischen ihnen zugute kommen.
Wenn Sie Kinder oder Haustiere haben, dann kümmern Sie sich bitte vorher um jemanden, der Ihnen
in diesen ersten Tagen nach der Hausgeburt hilft. Klar haben die Mütter das früher auch hinbekommen,
aber erstens wohnten dort im Haus meist auch mehrere Generationen und zweitens ist heute nicht
mehr früher. Wir nutzen auch das Auto, obwohl es früher ohne ging.
Hinzu kommt, dass der Vorteil, dass Mama nach der Hausgeburt da ist, wo sie sich wohlfühlt,
nicht immer gegeben ist. 3,2% der Mütter, die außerklinisch geboren haben, werden nach der
Entbindung in eine Klinik eingewiesen.
Viele Hebammen, die für eine außerklinische Geburt sind, bevorzugen alternative Hilfmittel, was zum Beispiel die Schmerzlinderung während der Entbindung angeht. Sie sind darin bewandert und wissen, was wann hilft. Sie als Mutter haben damit bei einer außerklinischen Geburt die größere Chance ohne Medikamente und ohne mechanische Hilfsmittel (Saugglocke, Zange) auszukommen. Ganz abgesehen davon ist ein weiterer großer Vorteil, dass diese eine Hebamme ganz Ihnen gehört. Im Krankenhaus betreut eine Hebamme unter Umständen mehrere Gebärende gleichzeitig. Bei einer Hausgeburt und mit großer Wahrscheinlichkeit auch im Geburtshaus gehört Ihre Hebamme für die Zeit der Geburt ganz Ihnen.
Der größte Vorteil der Entbindung im Krankenhaus ist natürlich, dass dort alles bereit steht,
was im Notfall benötigt wird. Wenn zum Beispiel die Herztöne des Kindes erkennen lassen, dass
es nicht mehr ausreichend versorgt wird, sind Sie und das Kind sofort dort, wo ein Kaiserschnitt
durchgeführt werden kann. Die Ärzte sind im Haus und wenn Sie sich ein entsprechendes Krankenhaus
ausgesucht haben, dann ist auch mitten in der Nacht ein Kinderarzt vorort, der für das Kind da
sein kann, wenn es notwendig sein sollte.
Immerhin werden im Schnitt doch 15% der Frauen, die eigentlich außerklinisch (per Hausgeburt
oder per Geburt im Geburtshaus) entbinden wollten, während der Entbindung in ein Krankenhaus verlegt.
Das spricht auf jeden Fall für die Hebammen, die im Zweifelsfall die Mütter einweisen, um kein
Risiko einzugehen. Und es schlägt sich statistisch nieder: es gibt kein höheres
Sterblichkeitsrisiko für außerklinisch geborene Kinder.
Ein statistischer Vergleich zwischen Krankenhaus und Hausgeburt/Geburt im Geburtshaus ist im
übrigen schwer. Natürlich "dürfen" nur solche Mütter außerklinisch entbinden, die eine Geburt
ohne Komplikationen erwarten. Damit ist klar, dass im Krankenhaus mehr Kaiserschnitte durchgeführt
werden (die sind außerklinisch sowieso tabu) und dass auch öfter zu Saugglocke&Co. gegriffen
wird.
Die statistischen Angaben sind zum einen vom Statistischen Bundesamt Deutschland und zum anderen von der Gesellschaft für Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe e.V.
Jede verantwortungsbewusste Hebamme wird das außerklinische Entbinden (per Hausgeburt oder als Geburt im
Geburtshaus) ablehnen, wenn eine Entbindung ohne große technische Unterstützung zu riskant wäre oder nicht
möglich ist. Sobald absehbar ist, dass das Kind nur per Kaiserschnitt entbunden werden kann (zum Beispiel
weil es verkehrt liegt oder die Plazenta sich nicht an der richtigen Stelle befindet), kommt nur eine
Geburt im Krankenhaus in Frage.
Genauso verhält es sich, wenn vorher zu sehen ist, dass das Kind nach der Geburt medizinische Betreuung
benötigt, weil sich zum Beispiel Organe nicht richtig entwickelt haben.
Auch bei Hinweisen auf eine Schwangerschaftsvergiftung
ist eine Entbindung im Krankenhaus unerlässlich.
Unterschiedlich sind die Entscheidungen der Hebammen bei Mehrlingsgeburten oder Beckenendlage des Kindes.
Sie sollten sich in solchen Fällen unterschiedliche Meinungen anhören und Hebammen misstrauen, die auch
hier unbedingte Befürworter einer außerklinischen Entbindung sind. Es gibt natürlich auch unter den Hebammen
Hartliner, die eine "natürliche" Geburt (damit sind dann meist Geburten außerhalb von Krankenhäusern gemeint)
als die einzig wahre Möglichkeit ansehen und der Meinung sind, dass das Baby nur dann sein Leben "verdient"
hätte, wenn es auch den Widrigkeiten trotzen würde. Überprüfen Sie gut, ob das auch Ihre Meinung ist und
ob Sie, wenn das Kind dann verloren ist, noch immer denken, dass es die Geburt schon überlebt hätte, wenn es
denn gewollt hätte.
Abschließend will ich unbedingt darauf hinweisen, dass solche "Hartliner" unter den Hebammen zum Glück eher
selten sind. Die allermeisten sind sehr verantwortungsbewusst und werden Sie nach bestem Wissen und Gewissen
gut beraten. Das Sterberisiko für außerklinisch geborene Kinder ist nicht erhöht.
Autor: Katarina Telschow